Handbuch für Beschwerden in Zivilsachen ans Bundesgericht

Die einzelnen Blogposts werden in diesem Handbuch eine Struktur gebracht. So soll Schritt für Schritt eine Informationsplattform für Beschwerden in Zivilsachen ans Bundesgericht entstehen. Das Handbuch ist nicht zurzeit kein vollständiges Nachschlagewerk, sondern ein work in progress.

Anfechtungsobjekt

Anfechtung von Zwischenentscheiden

Gegen Zwischenentscheide nach Art. 93 BGG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).

Nicht wiedergutzumachender Nachteil (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG)

Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts rechtlicher Natur sein, was voraussetzt, dass er durch einen späteren günstigen Entscheid nicht oder nicht mehr vollständig behoben werden kann (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 147 III 159 E. 4.1; 144 III 475 E. 1.2). Rein tatsächliche Nachteile, wie die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens, genügen nicht (BGE 147 III 159 E. 4.1; 144 III 475 E. 1.2).

Die selbständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden bildet aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 147 III 159 E. 4.1; 144 III 475 E. 1.2; 142 III 798 E. 2.2). Die Ausnahme ist restriktiv zu handhaben (BGE 144 III 475 E. 1.2; 138 III 94 E. 2.2).

Dabei obliegt es dem Beschwerdeführer darzutun, dass die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Anfechtbarkeit eines Zwischenentscheids erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich ist (BGE 149 II 170 E. 1.3; 147 III 159 E. 4.1; 142 V 26 E. 1.2).

Beweisverfügung

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts haben Beweisverfügungen als Zwischenentscheide grundsätzlich keinen nicht wieder gutzumachenden rechtlichen Nachteil zur Folge. Es ist nämlich im Regelfall möglich, mit einem Rechtsmittel gegen den Endentscheid zu erwirken, dass der zu Unrecht verweigerte Beweis erhoben wird oder umgekehrt, die Ergebnisse des zu Unrecht erhobenen Beweises aus den Akten gewiesen werden (BGE 141 III 80 E. 1.2; Urteile 4A_366/2023 vom 1. September 2023 E. 2.3.1; 4A_274/2021 vom 6. Oktober 2021 E. 1.2; 5A_315/2012 vom 28. August 2012 E. 1.2.1).

Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen (dazu Blog # 11).

  • Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil liegt dann vor, wenn die beantragten Beweise zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr erhoben werden können (Urteil 4A_307/2017 vom 20. Juli 2017 E. 2.3), etwa wenn das Gericht die Annahme eines Beweismittel verweigert, dessen Existenz gefährdet ist (Urteile 4A_366/2023 vom 1. September 2023 E. 2.3.1; 5A_745/2014 vom 16. März 2015 E. 1.2.2). Beispiel: Gefahr der Vernichtung von Geschäftsbelegen nach Ablauf der 10jährigen Aufbewahrungsfrist (Urteil 4A_269/2011 vom 10. November 2011 E. 1.3).
  • Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil kann auch darin liegen, dass bei der Abnahme eines Beweismittels Geheimhaltungsinteressen auf dem Spiel stehen (vgl. Urteile 4A_366/2023 vom 1. September 2023 E. 2.3.1; 4A_274/2021 vom 6. Oktober 2021 E. 1.2; 5A_745/2014 vom 16. März 2015 E. 1.2.2) und das Gericht den berechtigten Geheimhaltungsinteressen im weiteren Verfahren nicht Rechnung tragen kann (Urteile 4A_274/2021 vom 6. Oktober 2021 E. 1.2; 4A_232/2007 vom 2. Oktober 2007 E. 1.3.2; Nicolas von Werdt, Die Beschwerde in Zivilsachen, 2010, Rz. 149). Beispiel: Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen (Urteil 5A_73/2014 vom 18. März 2014 E. 3.1).
  • Ferner liegt eine Ausnahme vor, wenn durch die Beweisabnahme Informationen offenbart würden, obwohl in der Hauptsache darüber gestritten wird, ob eben diese Informationen herausgegeben werden müssen (Urteile 5A_823/2020 vom 7. Mai 2021 E. 1.2.2; 4A_125/2020 vom 10. Dezember 2020 E. 1.4).

Diese Ausnahmen sind dem Bundesgericht in der Beschwerdeschrift substantiiert darzulegen. Es ist nämlich am Beschwerdeführer darzutun, dass die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich ist (dazu oben).

Wird etwa eine Beweisverfügung angefochten und eine weitere Zeugenbefragung verlangt, darf man sich als Beschwerdeführer nicht mit Allgemeinplätzen begnügen, wonach das Erinnerungsvermögen von Zeugen mit der Zeit nachlässt. Vielmehr ist hinreichend darzulegen, aufgrund welcher konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalls zu befürchten ist, dass sich der Zeuge an die zu beweisende Tatsache nicht mehr oder nicht mehr hinreichend erinnern kann (Blog # 11 = Urteil 4A_366/2023 vom 1. September 2023 E. 2.3.3).

Konkret kann beispielsweise dargelegt werden, dass der Zeuge sehr alt ist oder an einer Krankheit leidet, die sich negativ auf sein Erinnerungsvermögen auswirkt. Hierzu würde ich empfehlen, das Alter des Zeugen darzulegen sowie seinen Gesundheitszustand und seine Krankheit genau zu schildern (medizinische Fachbegriffe würde ich – soweit nicht allgemein bekannt – verständlich erläutern).

Tipp: Bei den Sachurteilsvoraussetzungen lohnt es sich meines Erachtens meist, mehr zu schreiben (dazu: Blog #3, Blog #5 und Blog # 11) und genau zu erklären, warum unter den konkreten Umständen die Ausnahme greifen soll und ein nicht wieder gutzumachender Nachteil vorliegt.

Weitere Beispiele
  • Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bewirkt ein Entscheid, mit dem der Rechtsvertretung einer Partei (wegen eines durch das Anwaltsgesetz verpönten Interessenkonflikts) untersagt wird, die Partei zu vertreten, für diese einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil. Dieser kann auch durch den Endentscheid nicht mehr behoben werden, nachdem der Prozess vollständig mit einem anderen Anwalt durchgeführt wurde (Urteile 4A_448/2023 vom 14. November 2023 E. 1.1; 4A_7/2023 vom 28. Februar 2023 E. 1.1; 5A_311/2022 vom 9. November 2022 E. 2.2.2; 4A_25/2022 vom 11. Februar 2022 E. 4.2; 4A_313/2020 vom 1. Oktober 2020 E. 3; je mit weiteren Hinweisen).

Endentscheid und Ersparung bedeutender Aufwand oder Kosten für weitläufiges Beweisverfahren (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG)

Die Ausnahme der Anfechtung von Zwischenentscheiden wird vom Bundesgericht einschränkend verstanden. An die beschwerdeführende Partei werden hohe Anforderungen an die Darlegung der Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG gestellt, wie grundsätzlich bei den Voraussetzungen zur Anfechtung von Vor- und Zwischenentscheiden im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG (Beispiel: Urteil 4A_605/2021 = Blog #3).

Tipp: Obschon bei den Sachurteilsvoraussetzungen von der beschwerdeführenden Partei normalerweise keine langen Ausführungen verlangt werden, lohnen sich bei Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG meines Erachtens in der Regel ausführlichere Darlegungen. Hier ist es oft angebracht, mehr zu schreiben. Es ist im Einzelnen darzutun, welche Tatfragen offen sind und welche weitläufigen Beweiserhebungen in welchem zeit- oder kostenmässigen Umfang erforderlich sind.

Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 147 III 451 E. 1.3; 137 III 380 E. 1.1).

Streitwert

Der Streitwert vor Bundesgericht richtet sich nach den vor der Vorinstanz (und nicht vor der Erstinstanz) gestellten Begehren (Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG; Urteil 4A_341/2022 = Blog #2).

Tipp: Streitwertberechnung der Vorinstanz nachrechnen (vgl. Blog #2).

Der Streitwert berechnet sich aufgrund des Begehrens in der konkret vorliegenden Hauptsache, und nicht aufgrund von möglichen weiteren, darüber hinaus reichenden Interessen des Beschwerdeführers (vgl. Urteile 4A_448/2023 vom 14. November 2023 E. 1.2; 4A_606/2010 vom 13. Januar 2011 E. 1.1).

Schätzt die Vorinstanz den Streitwert, kann dies vor Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Will­kür gerügt werden (Urteile ktienrechtlichen Auskunftsanspruch (vgl. Urteil 4A_487/2023 vom 15. November 2023 E. 4.2; 4A_296/2021 vom 7. September 2021 E. 5.2.1; 4A_542/2017 vom 9. April 2018 E. 4.2.1). Beispiel: Aktienrechtlichen Auskunftsanspruch (vgl. Urteil 4A_487/2023 vom 15. November 2023 E. 4.2).

Beschwerdefrist

Bei der Beschwerdefrist nach Art. 100 Abs. 1 BGG handelt es sich um eine gesetzliche Frist im Sinne von Art. 47 Abs. 1 BGG, die nicht erstreckt werden kann.

Rechtsbegehren

Bei einem Nichteintretensentscheid der Vorinstanz

Tritt die Vorinstanz nicht auf das kantonale Rechtsmittel ein, kann vor Bundesgericht kein reformatorischer Antrag gestellt werden. Vor Bundesgericht ist einzig der Antrag am Platz, die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese auf die Berufung eintrete (BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 48; Urteil 4A_555/2023 vom 11. April 2023 E. 1). Ausser Betracht fällt, dass das Bundesgericht sich – gewissermassen an Stelle des kantonalen Gerichts – mit der Sache befasst und einen Sachentscheid über die Klage fällt (Urteil 4A_555/2023 vom 11. April 2023 E. 1).

Bezifferung des Rechtsbegehrens

Bei Rechtsmitteln an das Bundesgericht muss die Beschwerdeschrift ein Rechtsbegehren enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). Rechtsbegehren, die eine Geldsumme zum Gegenstand haben, sind zu beziffern. Das Bundesgericht tritt grundsätzlich nicht auf eine Beschwerde ein, wenn es den zuzusprechenden Geldbetrag aufgrund des gestellten Begehrens selbst bestimmen müsste (BGE 143 III 111 E. 1.2; BGE 134 III 235 E. 2).

Das gilt auch für den Fall, dass die beschwerdeführende Partei die kantonalen Prozesskosten gesondert anficht, d.h. unabhängig vom Ausgang der Hauptsache, (BGE 143 III 111 E. 1.2; Urteile 4A_168/2023 vom 21. April 2023 E. 1; 4A_510/2022 vom 22. Dezember 2022 E. 4.3; 4A_164/2011 vom 10. November 2011 E. 1.3.2).

Die Rechtsfolge des Nichteintretens auf unbezifferte Begehren steht allerdings unter dem Vorbehalt des überspitzten Formalismus (Art. 29 Abs. 1 BV; BGE 137 III 617 E. 6.2). Dies bedeutet insbesondere, dass das Bundesgericht ausnahmsweise trotz eines formell mangelhaften Begehrens auf die Beschwerde eintritt, wenn sich aus der Beschwerdebegründung, allenfalls in Verbindung mit dem angefochtenen Entscheid, ohne Weiteres ergibt, welchen Geldbetrag der Beschwerdeführer von der Gegenpartei verlangt (BGE 137 III 617 E. 6.2; BGE 134 III 235 E. 2 mit Hinweis; vgl. auch BGE 143 III 111 E. 1.2). Im Übrigen reicht ein nicht bezifferter Antrag nur dann, wenn das Bundesgericht bei Gutheissung der Beschwerde in der Sache naturgemäss nicht selbst entscheiden könnte (BGE 134 III 379 E. 1.3; BGE 133 III 489 E. 3.1). Letzteres ist etwa der Fall, wenn die Verletzung des Anspruch auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird oder die Vorinstanz nur einen Teil der Anspruchsvoraussetzungen geprüft hat (z.B. die Vorinstanz verneinte einen Schadenersatzanspruch, weil der Kausalzusammenhang unterbrochen sei, beurteilte aber die anderen Anspruchsvoraussetzungen nicht. In diesem Fall könnte das Bundesgerichts – mangels Sachverhaltsbasis – nicht reformatorisch im Sinne des Beschwerdeführers entscheiden).

Die bezifferten Anträge müssen begründet werden („doivent être justifiées„; „Il incombait aux recourants d‘exposer dans leur recours […]“, so: Urteil 4A_260/2022 vom 7. März 2023 = Blog #5). Es genügt nach Art. 42 Abs. 1 BGG also nicht, bloss die Verpflichtung des Prozessgegners zur Bezahlung einer Geldsumme zu fordern, sondern es ist darüber hinaus klar darzulegen, wie sich der geforderte Betrag konkret zusammensetzt. Das Bundesgericht muss bei der Lektüre der Beschwerdeschrift klar verstehen, was der Beschwerdeführer fordert, sodass es ihm den geforderten Betrag zusprechen kann, wenn es denn die Beschwerde gutheissen möchte (Beilspiel dazu: Urteil 4A_260/2022 vom 7. März 2023 = Blog #5).

Tipp: Hegt man Zweifel, ob das Gericht die Zusammensetzung des geforderten Betrags ohne Weiteres versteht, tut man gut daran, dies kurz ausführen. Sonst riskiert man ein Nichteintreten, wie im vorliegenden Fall. Meines Erachtens ist vor Bundesgericht dafür klar und allgemeinverständlich auszuführen, wie man auf den geforderten Betrag kommt, d.h. wie der geforderte Betrag berechnet wird. Dafür kann es unter Umständen sinnvoll sein, die Berechnung in einer Tabelle oder Grafik zusammenzufassen.

Keine Anschlussbeschwerde des Beschwerdegegners

Das BGG kennt keine Anschlussbeschwerde (BGE 145 V 57 E. 10.2; BGE 138 V 106 E. 2.1). Der Beschwerdegegner kann zwar für den Fall, dass den Argumenten des Beschwerdeführers gefolgt wird, Rügen als Eventualbegründung gegen die angefochtene Entscheidung vorbringen (BGE 136 III 502 E. 6.2). Solche Vorbringen haben sich jedoch im Rahmen des Streitgegenstandes des Beschwerdeverfahrens vor Bundesgericht zu halten (Urteil 4A_6/2019 vom 19. September 2019 E. 2).

Beispiel: „Die Beschwerdegegnerin beantragt für den Fall der Gutheissung der Beschwerde, es seien ihr weitergehende Schadenersatzansprüche für übermässigen Selbstpflegeaufwand bzw. für ihren Aufwand zur Aufrechterhaltung der Leistungs- und Arbeitsfähigkeit zuzusprechen. Damit wirft sie Fragen auf, die den Rahmen der in der Beschwerde erhobenen Rügen betreffend die künftigen Rentenleistungen für Pflege durch Dritte, die Bemessung des durch den Unfall verursachten Erwerbsausfalls und die Höhe der Genugtuung sprengen. Der Antrag auf eventuelle Zusprechung weiteren Schadenersatzes kommt einer Anschlussbeschwerde gleich und ist daher nicht zulässig“ (Urteil 4A_6/2019 vom 19. September 2019 E. 2).

Keine bedingte Beschwerdeerhebung

Die Erhebung der Beschwerde unter der Bedingung, dass auch die Gegenpartei Beschwerde einreicht, ist nicht zulässig (BGE 134 III 332 E. 2).

Sachverhaltsbasis

Sachverhaltsbindung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrun­de, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu ge­hören sowohl die Feststellungen über den streitge­genständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ab­lauf des vor- und erst­instanzlichen Verfahrens, also die Fest­stellungen über den Prozess­sachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhalts­fest­stel­lung der Vorinstanz nur be­richtigen oder er­gän­zen, wenn sie offen­sichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsver­let­zung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). „Offen­sichtlich un­richtig“ be­deu­tet dabei „willkürlich“ (BGE 140 III 115 E. 2; 135 III 397 E. 1.5). Überdies muss die Be­hebung des Mangels für den Aus­gang des Ver­fahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).

Sachverhaltsrüge

Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprin­zip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen). Die Partei, welche die Sachverhalts­feststellung der Vorin­stanz an­fech­ten will, muss klar und sub­stanziiert aufzeigen, inwie­fern diese Voraus­setzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachver­halt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinwei­sen dar­zu­legen, dass sie entspre­chende rechts­rele­van­te Tat­sachen und taugli­che Beweis­mittel bereits bei den Vor­instanzen prozesskon­form ein­ge­bracht hat (BGE 140 III 86 E. 2). Genügt die Krit­ik die­sen Anfor­derungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht be­rücksich­tigt wer­den (BGE 140 III 16 E. 1.3.1).

Für eine Sach­verhaltsrüge vor Bundesgericht ist ein somit genauer Aktenhinweis auf die einschlä­gi­ge Stelle notwendig. Die beschwerde­führende Partei weiss, wo genau (oder in welchem Zusammen­hang) sie im kantonalen Verfahren eine Behauptung aufge­stellt und dafür Beweismittel angeboten hat. Dies muss sie dem Bundes­gericht durch einen präzisen Aktenhinweis auf die einschlägige Stelle in seiner kantonalen Eingabe anzeigen, da­mit das Bundesgericht nicht die Eingabe oder die Akten danach durch­forsten muss (dazu Urteil 4A_627/2017 vom 28. Juni 2018 E. 3.3 mit Hinweisen).

Neue Tatsachen und Beweismittel

Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

Zum Begriff „neu“ vgl. Seiler, SHK-BGG, N. 12 zu Art. 99 BGG, Bovey, N. 14 ff. zu Art. 9 BGG.

Echte Noven

Echte Noven, d.h. Tatsachen und Beweismittel, die sich erst nach dem vorinstanzlichen Entscheid ereigneten oder erst danach entstanden, sind vor Bundesgericht unzulässig (BGE 148 V 174 E. 2.2; 143 V 19 E. 1.2; 140 V 543 E. 3.2.2.2; 139 III 120 E. 3.1.2, Urteil 6B_1114/2018 vom 29. Januar 2020 E. 1, nicht publ. in BGE 146 IV 23). Dieser Grundsatz ergibt sich aus der Rolle des Bundesgerichts als oberste rechtsprechende Behörde des Bundes (vgl. Art. 188 Abs. 1 BV, Art. 1 Abs. 1 BGG), welche ihrem Sachurteil keine Tatsachen oder Beweismittel zugrunde legen darf, die im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils noch nicht existiert haben (Urteile 6B_349/2020 vom 25. Juni 2020 1.2.2; 2C_98/2018 vom 7. November 2018 E. 2.3.1 und 2C_50/2017 vom 22. August 2018 E. 3.1).

Von diesem Grundsatz gibt es eine Ausnahme: Nach dem angefochtenen Entscheid eingetretene Tatsachen bzw. die zugehörigen Beweismittel müssen nur zugelassen werden, wenn sie prozessuale Aspekte im Verfahren vor dem Bundesgericht betreffen, wie etwa die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung (wesentlich für die Eintretensfrage vor Bundesgericht), die Mittellosigkeit im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Rechtspflege oder das Ereignis, welches die Gegenstandslosigkeit des Beschwerdeverfahrens bewirkt (Urteile 6B_709/2022 vom 4. Oktober 2023 E. 1.1; 2C_50/2017 vom 22. August 2018 E. 3.1).

Allgemein bekannte und gerichtsnotorische Tatsachen

Vom Novenverbot nach Art. 99 Abs. 1 BGG nicht erfasst werden allgemein bekannte und gerichtsnotorische Tatsachen wie etwa allgemein zugängliche Fachliteratur (BGE 148 V 174 E. 2.2).

Entscheide mit Bezug zur Sache

Das Bundesgericht erwähnt in BGE 150 III 89 (dazu Blogbeitrag #12), dass es vorkomme, dass eine Partei dem Bundesgericht einen Entscheid mit Bezug zur Sache vorlege, um einen behaupteten Sachverhalt zu untermauern, was im Beschwerdeverfahren unzulässig sei (BGE 150 III 89 E. 3.1 = Blogbeitrag #12). Zu denken ist etwa an die Situation, in dem nach dem angefochtenen Entscheid eine andere Behörde einen Entscheid mit Bezug zum Streitgegenstand fällte.

Beispiel: In einer markenrechtlichen Streitigkeit fällt die Löschungsabteilung des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) einen Entscheid mit Bezug zur Streitsache (so im Urteil 4A_227/2022 vom 8. September 2022 E. 1.4; dazu Blogbeitrag #1).

Als echtes Novum ist sind solche Urteile, die nach dem angefochtenen Entscheid gefällt werden, nach Art. 99 Abs. 1 BGG in tatsächlicher Hinsicht unbeachtlich. Als Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel rechtlicher Natur kann sich eine Partei vor Bundesgericht auf neue Urteile berufen (siehe oben), soweit sie innert der Rechtsmittelfrist eingereicht werden.

Rechtliche Vorbringen

Zulässig: Neue rechtliche Elemente zur Stärkung der rechtlichen Argumentation

Das Novenverbot gilt nach dieser Bestimmung für

  1. neue Tatsachen und
  2. neue Beweismittel.

Tipp: Im bundesgerichtlichen Verfahren muss die Begründung in der Beschwerdeschrift selbst erfolgen. Der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten genügt nicht (dazu unten). Dementsprechend genügt es meines Erachtens nicht, in der Beschwerdeschrift lediglich auf ein Rechtsgutachten, auf Auszüge aus der Lehre oder einen Gerichtsentscheid zu verweisen. Vielmehr muss sich der Beschwerdeführer die Argumentation in der Beschwerdeschrift zu eigen machen und in seine Argumentation „verarbeiten“, wobei er das Rechtsgutachten (Literaturquellen oder Gerichtsentscheid) natürlich als Quelle zur Untermauerung des eigenen Standpunktes anführen kann (vgl. dazu dazu Blogbeitrag #12).

Verrechnung im Besonderen

Im früheren OG wurde in Art. 55 Abs. 1 lit. c ausdrücklich festgehalten, dass neue Einreden im damaligen Berufungsverfahren unzulässig waren. An der Unzulässigkeit, die Verrechnungseinrede erstmals vor Bundesgericht zu erheben, hat sich mit der Einführung des BGG grundsätzlich nichts geändert (Urteil 4A_428/2022 vom 25. September 2023 E. 5.5.2; so auch Urteil 4A_290/2007 vom 10. Dezember 2007 E. 8.3.1; dazu Blogbeitrag).

Warum ist das so: Soweit die Verrechnung erklärt werden muss, damit sie Wirkung entfaltet (Art. 124 Abs. 1 OR; Ausnahme etwa Art. 124 Abs. 3 OR oder gesetzliche Spezialvorschriften), hat dies prozesskonform im kantonalen Verfahren zu erfolgen. Wird die Verrechnung erstmals vor Bundesgericht erklärt, wurden nicht sämtliche konstitutiven tatsächlichen Elemente im kantonalen Verfahren vorgebracht. Vor Bundesgericht ist daher die Verrechnungserklärung grundsätzlich novenrechtlich nicht zulässig. Die Verrechnung ist daher im bundesgerichtlichen Verfahren unbeachtlich, auch wenn durch die Erklärung die Forderung materiellrechtlich allenfalls getilgt sein sollte (dazu: Blog #9).

Von der prozessualen Nichtberücksichtigung gibt es zwei Ausnahmen (dazu Blog #9):

  1. Der Prozessgegner anerkennt die Verrechnung und ist mit deren Berücksichtigung einverstanden.
  2. Erst der angefochtene Entscheid gibt zur Erhebung der Verrechnungseinrede Anlass (Art. 99 Abs. 1 BGG).

Tipp: Konstellationen, bei der letztere Ausnahme greifen könnte und das Novenverbot nicht geltend würde, sind in der Praxis wohl selten (allenfalls bei einer völlig überraschenden Rechtsanwendung durch die Vorinstanz). Es empfiehlt sich daher, die Verrechnung rechtzeitig ins kantonale Verfahren einzubringen.

Rechtsrügen

Ausschöpfung des Instanzenzugs

Grundsatz

Die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht ist gemäss Art. 75 Abs. 1 BGG gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen zulässig. Entscheiden diese nach dem Grundsatz von Art. 75 Abs. 2 BGG als Rechtsmittelinstanzen, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs unabdingbare Voraus­setzung für die Zulässigkeit der Beschwerde an das Bundesgericht. Der Begriff der Letztinstanzlichkeit bedeutet nach dieser Rechtsprechung, dass der kantonale Instanzenzug nicht nur formell durch­laufen, sondern auch materiell ausgeschöpft werden müsse, indem die Rügen, die dem Bundesgericht unterbreitet würden, soweit möglich schon vor Vorinstanz vorzubringen seien (BGE 145 III 42 E. 2.2.2; 143 III 290 E. 1.1). Die rechtsuchende Partei müsse sich demnach in der Beschwerde an das Bundesgericht mit den Erwägungen der letzten kantonalen Instanz zu den Rügen auseinander­setzen, die sie bereits vor dieser letzten kantonalen Instanz vorgebracht habe. Sie dürfe der Vorinstanz die ihr bekannten rechtserheblichen Einwände mithin nicht vorenthalten, um sie erst nach einem ungünstigen Entscheid im anschliessenden bundesgerichtlichen Verfahren zu erheben (BGE 146 III 203 E. 3.3; vgl. jüngst der Beitrag der Bundesrichter Fabienne Hohl / Grégory Bovey, Dix ans de Code de procédure civile: bilan et perspectives, ZSR 140 [2021] I S. 509 ff., S. 537). Diese Rechtsprechung wird in der Lehre teilweise kritisiert, etwa kürzlich bei Urs Fasel, Abschied von iura novit curia und der Rechtseinheit?, SJZ 118 [2022], S. 934 ff.; dazu Ganzen Blog #4).

Einschränkung

Die Ausschöpfung des materiellen Instanzenzugs gilt hingegen meines Erachtens nicht, wenn die Vorinstanz nicht als Rechtsmittelinstanz, sondern als erste (und einzige) kantonale Instanz entschieden hat (Art. 75 Abs. 2 lit. a – c BGG), etwa bei Entscheiden des Handelsgerichts (dazu Blog #10).

Dies aus den folgenden zwei Gründen:

  1. In dieser Konstellation gibt es vor Bundesgericht keinen kantonalen Instanzenzug, der für die Rügen hätte durchlaufen werden können. Es gibt nur eine kantonale Instanz.
  2. Als erstinstanzliche Gericht hat die Vorinstanz das Recht zu kennen und es von Amtes wegen anzuwenden (Art. 57 ZPO iura novit curia). Die Parteien sind nicht verpflichtet eine rechtliche Begründung zu liefern (Art. 221 Abs. 3 ZPO, Art. 222 Abs. 2 ZPO; e contrario; Urteile 5A_696/2019 vom 19. Juni 2020 E. 3.1.1; 5A_204/2019 vom 25. November 2019 E. 3.7.3). Da eine rechtliche Begründung in diesen Fällen vor der Vorinstanz nicht notwendig ist, kann der Partei im bundesgerichtlichen Verfahren nicht vorgeworfen werden, sie hätten ihre rechtliche Argumentation bereits vor der Vorinstanz vorbringen müssen und könnte deshalb – mangels vorinstanzlicher Vorbringen – mit dieser Rüge vor Bundesgericht nicht gehört werden.

Stützt sich der Beschwerdeführer also in diesen Fällen (einzige kantonale Instanz) vor Bundesgericht auf eine neue rechtliche Argumentation, die er vor der Vorinstanz noch nicht vorgebracht hat, ist er damit vor Bundesgericht zu hören. Eine mangelnde Ausschöpfung des Instanzenzugs kann ihm nicht vorgeworfen werden. Insoweit wird der Grundsatz der Ausschöpfung des materiellen Instanzenzuges eingeschränkt (dazu Blog #10).

Tipp: Alle rechtlichen Rügen bereits vor der Vorinstanz vorbringen, sonst besteht die Gefahr, dass das Bundesgericht mangels Ausschöpfung des materiellen Instanzenzugs darauf nicht eintritt.

Bei gänzlich neuen rechtlichen Fragestellungen wird es im Übrigen zumeist auch am Sachverhaltsfundament für die Rüge fehlen: Das Bundesgericht ist an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gebunden (Art. 105 BGG), d.h. der Beschwerdeführer muss vor Bundesgericht seine rechtlichen Rügen auf den Sachverhalt abstützen, den die Vorinstanz festgestellt hat. Bei gänzlich neuen rechtlichen Fragestellungen wird es zumeist am Sachverhaltsfundament für die rechtliche Rüge fehlen, weil die Vorinstanz in aller Regel keinen Anlass hatte, entsprechende Feststellungen zu treffen.

Beispiel: Der Beschwerdeführer beruft sich erstmals vor Bundesgericht darauf, dass der Aktienerwerb gegen das Bewilligungsgesetz verstösst (Urteil 4A_501/2018 vom 3. Dezember 2018 E. 4.3).

Rechtliches Gehör

Das Bundesgericht betont in seinen Entscheiden, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör formeller Natur ist, so dass seine Verletzung unabhängig von der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt. Das bedeute aber nicht, dass es in jedem Fall genüge, vor Bundesgericht bloss die Verletzung des rechtlichen Gehörs zu rügen und die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids zu verlangen. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs sei kein Selbstzweck. Es bestehe kein Interesse an der Aufhebung des kantonalen Entscheids, wenn für das höchste Gericht nicht ersichtlich ist, inwiefern sich die Verletzung des rechtlichen Gehörs auf das Verfahren auswirken könnte (dazu: BGE 147 III 586 E. 5.2.1; BGE 143 IV 380 E. 1.4.1; je mit weiteren Hinweisen). Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz allein aufgrund der festgestellten Gehörsverletzung zu einem Leerlauf und einer unnötigen Verzögerung führen würde (Urteile 4A_30/2021 vom 16. Juli 2021 E. 4.1; 4A_438/2019 vom 23. Oktober 2019 E. 3.2; je mit weiteren Hinweisen).

Dementsprechend verlangt das Bundesgericht für eine erfolgreiche Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, dass die beschwerdeführende Partei in der Begründung der Beschwerde in Zivilsachen auf die Erheblichkeit der behaupteten Gehörsverletzung eingeht und angibt, welche Vorbringen sie im kantonalen Verfahren bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgebracht hätte und inwiefern diese Vorbringen hätten erheblich sein können (vgl. Urteile 5A_83/2021 vom 12. November 2021 E. 2.4; 4A_30/2021 vom 16. Juli 2021 E. 4.1; 4A_438/2019 vom 23. Oktober 2019 E. 3.2; grundlegend: Urteil 4P.189/2002 vom 9. Dezember 2002 E. 3.2.3). Unterlässt die Partei dies, tritt das Bundesgericht auf die Rüge nicht ein.

Tipp: Unter Umständen können dafür wenige Worte genügen, wenn der Einfluss des Vorbringens auf das Verfahren auf den ersten Blick erkennbar ist. Ist dies hingegen nicht ohne Weiteres ersichtlich, ist es ratsam, weitergehende Ausführungen zu machen. Es muss deutlich gemacht werden,

  • was man hätte einbringen können und 
  • wie das Vorgebrachte einen Unterschied im Prozess hätte machen können.

Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Bundesgericht auf die Rüge nicht eintritt (dazu der Blog #7).

Formelle Rügen

Formelle Rügen sind sofort vorzubringen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts verstösst es gegen Art. 2 ZGB (respektive Art. 52 ZPO), formelle Rügen, die in einem früheren Prozessstadium hätten geltend gemacht werden können, bei ungünstigem Ausgang noch später vorzubringen (BGE 141 III 210 E. 5.2; 135 III 334 E. 2.2; je mit Hinweisen). So ist beispielsweise ein Ausstandsbegehren unter Verwirkungsfolge unverzüglich nach Kenntnis des Ausstandsgrundes zu stellen (BGE 141 III 210 E. 5.2; 136 I 207 E. 3.4). Wird beispielsweise nach Kenntnisnahme des Ausstandsgrunds zugewartet und das Ausstandsgesuch gegen einen kantonalen Richter erst im bundesgerichtlichen Verfahren vorgebracht, tritt das Bundesgericht auf die Rüge nicht ein.

Abfassung der Beschwerdeschrift

Sprache der Beschwerde

Das Verfahren vor dem Bundesgericht wird gemäss Art. 54 Abs. 1 BGG in einer der Amtssprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch, Rumantsch Grischun) geführt, in der Regel in der Sprache des ange­fochtenen Entscheids. Dem Beschwerdeführer steht es aber frei, seine Ein­gabe in der Amtssprache seiner Wahl zu verfassen (Art. 42 Abs. 1 BGG), die nicht notwendigerweise mit der Verfahrenssprache des vor­instanzlichen Verfahrens übereinstimmen muss (Urteile 4A_487/2023 vom 15. November 2023 E. 1; 2C_1004/2022 vom 18. Oktober 2023 E. 1.5; 5A_581/2022 vom 19. August 2022 E. 1.3; je mit Hinweisen). So kann etwa gegen einen deutschsprachigen Entscheid des Handelsgerichts Zürich eine französischsprachige Beschwerde am Bundesgericht eingereicht werden. Die Verfahrenssprache bleibt in dieser Konstellation aber in aller Regel die Sprache des angefochtenen Entscheids, also in diesem Beispiel Deutsch (vgl. Urteil 4A_487/2023 vom 15. November 2023 E. 1).

Verweise

Im bundesgerichtlichen Verfahren muss die Begründung in der Beschwerdeschrift selbst erfolgen. Der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten genügt nicht (BGE 144 V 173 E. 3.2.2; 140 III 115 E. 2).

Ausführungen, wonach die kantonalen Rechtsschriften integrierender Bestandteil der Beschwerde an das Bundesgericht bilden (oder ähnliches), sind damit unbeachtlich. Möchte man die Ausführungen aus dem kantonalen Verfahren vor Bundesgericht wiederholen, sind die Ausführungen vollständig in die Beschwerdeschrift zu übernehmen (was mit copy/paste auch keine Herausforderung darstellen sollte).

Verfahrensablauf am Bundesgericht

Verfügungen des Instruktionsrichters

Der Instruktionsrichter am Bundesgericht leitet das Verfahren vom Eingang der Beschwerde bis zum Entscheid (Art. 32 Abs. 1 BGG), also im sogenannten Instruktionsstadium. In dieser Funktion entscheidet er unter anderem über Akteneinsichtsgesuche (vgl. Urteil 4A_76/2023 vom 28. Juni 2023 E. 2), aber beispielsweise auch über Kostenvorschüsse oder die Sicherstellung einer Parteientschädigung (Art. 62 Abs. 3 BGG) oder über die Gewährung der aufschiebenden Wirkung (Art. 103 Abs. 3 BGG).

Diese Verfügungen sind nicht anfechtbar (Art. 32 Abs. 3 BGG). Eine Überprüfung der Verfügung des Instruktionsrichters durch das Kollegium der betreffenden Abteilung des Bundesgerichts ist somit nicht möglich. Die Verfügungen sind auch einer Revision gemäss Art. 121 ff. BGG nicht zugänglich (Urteile 6F_28/2020 vom 18. November 2020 E. 4; 4F_5/2012 vom 12. April 2012 [ohne Erwägungsziffern]).

Als prozessleitende Verfügung erwächst die Verfügung des Instruktionsrichters jedoch nicht in Rechtskraft (vgl. Art. 61 BGG). Sie kann deshalb bis zum Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens wiedererwogen und abgeändert werden (Urteil 4A_329/2019 vom 25. November 2019 E. 2.2.2; vgl. auch BGE 139 I 189 E. 3.5). Dies ist dann der Fall, wenn neue tatsächliche Aspekte vorgebracht werden (Urteil 4A_76/2023 vom 28. Juni 2023 E. 2). Dabei ist es notwendig, neue Tatsachen vorzubringen und nicht nur die erste Verfügung zu kritisieren. Die Bestimmung von Art. 32 Abs. 3 BGG darf mithin nicht umgangen werden, indem im Kleide eines Wiedererwägungsgesuchs Kritik am Inhalt und an den Entscheidgründen einer verfahrensleitenden Verfügung geübt wird, ohne neue tatsächliche Aspekte einzubringen, die geeignet sind, zu einem anderen Entscheid zu führen. Die Zulassung eines so begründeten Wiedererwägungsgesuchs würde dazu führen, dass die Bestimmung von Art. 32 Abs. 3 BGG unterlaufen würde und toter Buchstabe bliebe (Urteil 4A_76/2023 vom 28. Juni 2023 E. 2; für eine solche Kritik vgl. Blog #8).

Beispiel: Die Kostenvorschussverfügung wird in Wiedererwägung gezogen und der Kostenvorschuss erhöht, weil sich der Beschwerdeführer entgegen seiner Obliegenheit nicht zum Streitwert äusserte, das Bundesgericht den Streitwert schätzen musste (Schätzung unter 100 Mio.) und sich nachträglich ergibt, dass der Streitwert höher ist, nämlich über 400 Mio. (unpublizierte Instruktionsverfügung 4A_46/2024 vom 12. Juli 2024 vom E. 2 in der internationalen Schiedsangelegenheit).

Sicherheitsleistung

Eine Partei, die in der Schweiz keinen festen Wohnsitz hat, kann auf Begehren der Gegenpartei zur Sicherstellung einer allfälligen Parteients­chädigung verpflichtet werden (Art. 62 Abs. 2 BGG).

Mit Art. 62 Abs. 2 BGG wird – trotz der Formulierung als Kann-Vor­schrift – eine Regel aufgestellt, die nach ständiger Praxis im Interesse der Rechtssicher­heit stets dann zu befolgen ist, wenn keine besonde­ren Umstände des beurteilten Falles eine Ausnahme aufdrängen (unpublizierte Instruktionsverfügung 4A_46/2024 vom 12. Juli 2024 vom E. 3.2).

Es entspricht ständiger Praxis des Bundesgerichts, dass nach Art. 62 Abs. 2 BGG nicht nur natürliche Personen oder juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts, sondern auch ausländische Staaten grundsätzlich zur Sicher­stellung einer allfälligen Parteientschädigung verpflichtet werden kön­nen, weil sie in der Schweiz keinen festen Wohnsitz bzw. Sitz haben (unpublizierte Instruktionsverfügung 4A_46/2024 vom 12. Juli 2024 vom E. 3.2.2)