Blog #8: Urteil 4A_76/2023 – Verfügung des Instruktionsrichters

In Kürze

Ich habe eine Verfügung des Instruktionsrichters erhalten. Kann ich diese anfechten?

Kurz gesagt: Nein. Möglich ist einzig eine Wiedererwägung, sofern neue tatsächliche Elemente vorgebracht werden.

Sachverhalt

Im bundesgerichtlichen Verfahren verlangte der Beschwerdeführer die Wiedererwägung der Verfügung der Instruktionsrichterin, mit welcher sein Gesuch um Akteneinsicht im bundesgerichtlichen Verfahren abgewiesen worden war. Das Bundesgericht trat im Urteil 4A_76/2023 vom 28. Juni 2023 auf dieses Gesuch nicht ein.

Erwägungen im konkreten Fall

Das Bundesgericht machte vorab allgemeine Ausführungen:

Nach Art. 32 Abs. 3 BGG sind Verfügungen der Instruktionsrichterin nicht anfechtbar (Art. 32 Abs. 3 BGG […]). Möglich ist einzig, um eine Wiedererwägung von prozessleitenden Verfügungen zu ersuchen, sofern neue tatsächliche Aspekte vorgebracht werden. Allerdings kann dabei die Bestimmung von Art. 32 Abs. 3 BGG nicht umgangen werden, indem im Kleide eines Wiedererwägungsgesuchs Kritik am Inhalt und an den Entscheidgründen einer verfahrensleitenden Verfügung geübt wird, ohne neue tatsächliche Aspekte einzubringen, die geeignet sind, zu einem anderen Entscheid zu führen; die Zulassung eines so begründeten Wiedererwägungsgesuchs würde dazu führen, dass die Bestimmung von Art. 32 Abs. 3 BGG unterlaufen würde und toter Buchstabe bliebe […].

Urteil 4A_76/2023 vom 28. Juni 2023 E. 2.

Im konkreten Fall führte das Bundesgericht aus, der Beschwerdeführer kritisiere lediglich den Inhalt der Verfügung, mit welcher sein Akteneinsichtsgesuch abgelehnt worden sei. Er rüge eine Verletzung von Art. 30 BV und Art. 6 EMRK, ohne jedoch neue tatsächliche Aspekte im gerade genannten Sinn einzubringen. Auf das Wiedererwägungsgesuch sei daher nicht einzutreten (Erwägung 2).

Anmerkungen

Nicht anfechtbare Verfügung

Der Instruktionsrichter am Bundesgericht leitet das Verfahren vom Eingang der Beschwerde bis zum Entscheid (Art. 32 Abs. 1 BGG), also im sogenannten Instruktionsstadium. In dieser Funktion entscheidet er unter anderem über Akteneinsichtsgesuche, wie im vorliegenden Fall, aber beispielsweise auch über Kostenvorschüsse oder die Sicherstellung einer Parteientschädigung (Art. 62 Abs. 3 BGG) oder über die Gewährung der aufschiebenden Wirkung (Art. 103 Abs. 3 BGG).

Diese Verfügungen sind nicht anfechtbar (Art. 32 Abs. 3 BGG). Eine Überprüfung der Verfügung des Instruktionsrichters durch das Kollegium der betreffenden Abteilung des Bundesgerichts ist somit nicht möglich. Die Verfügungen sind auch einer Revision gemäss Art. 121 ff. BGG nicht zugänglich (Urteile 6F_28/2020 vom 18. November 2020 E. 4; 4F_5/2012 vom 12. April 2012 [ohne Erwägungsziffern]).

Wiedererwägung

Als prozessleitende Verfügung erwächst die Verfügung des Instruktionsrichters jedoch nicht in Rechtskraft (vgl. Art. 61 BGG). Sie kann deshalb bis zum Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens wiedererwogen und abgeändert werden (Urteil 4A_329/2019 vom 25. November 2019 E. 2.2.2; vgl. auch BGE 139 I 189 E. 3.5). Dies ist dann der Fall, wenn neue tatsächliche Aspekte vorgebracht werden (Urteil 4A_76/2023 vom 28. Juni 2023 E. 2). Wie der vorliegende Entscheid zeigt, ist es notwendig, neue Tatsachen vorzubringen und nicht nur die erste Verfügung zu kritisieren.